Monday, June 13, 2005

Ganz Paris träumt von der Liebe....

Das Mittelalter lebt. In Frankreich. Auf dem Flughafen Charles-De-Gaulle.
Dass dieses Sammelsurium der Halbfertigkeit überhaupt existiert, grenzt an ein Wunder. Und es funktioniert wahrscheinlich nur wegen dem Grossmut der Passagiere.

Das fing in meinem Fall schon bei der Landung an. Zuerst verbringt man einige Zeit schmorend in der fliegenden Kiste, weil irgend ein Bodenpersonal-Trottel mit der Gangway am falschen Ort wartet. Toll. Als dann doch endlich der Bus bestiegen werden kann, ist der erste verabredete Termin bereits verschütt gegangen.

Sei's drum! Immerhin liefert mir der Flughafen die willkommene Ausrede für mein Fernbleiben.

Der Bus bringt uns durchschwitzten Passagiere kurvenreich zu einem Abfertigungsgebäude. Wir steigen aus, der Bus entschwindet im gordischen Knoten der Flughafen-Infrastruktur - und wir stehen doof in der Sonne. Denn jemand hat vergessen, für uns die Türe zu öffnen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als dem Abfertigungsgebäude entlang zu wandern, bis uns endlich ein geöffnetes Loch den Gang ins Gebäude ermöglicht. Pech ist nur, dass wir in einem Abflugterminal NACH der Zollkontrolle landen, wo uns eine ebenso hysterische wie inkompetente Zöllnerin erklärt, dass wir nun abgefertigt seien und gefälligst auf den Flug nach Frankfurt zu warten hätten, aber auf keinen Fall den von uns bevölkerten Raum verlassen dürften.

Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde und bedurfte zahlreicher internationaler Telefonate mit den Handies, bis endlich jemand im Tempo eines zerlaufenden Camembert herbeischlurft uns uns in die Freiheit entlässt. Immerhin: Das Ganze Trauerspiel dauerte lediglich 90 Minuten.

Beim Rückflug am Abend ist die Darbietung von ähnlicher Qualität. Vorgewarnt von den Ereignissen des Morgens stehe ich rechtzeitig auf der Matte beim Check-In, warte kaltblütig bis wenige Minuten vor dem letzten Termin und frage am Schalter nach, zu welchem Gate ich solle. Die Antwort ist klar - an meinen limitierten Französischkenntnissen kann das nachfolgende Desaster also nicht liegen. Eine unfreundliche Tante des Bodenpersonals kritzelt mir sogar in lesbaren Zeichen die Gatenummer aufs elektronische Ticket. Erfüllt von schier grenzenloser Dankbarkeit mache ich mich auf die Socken, durchlaufe die Zoll-Prozedur, werde von der Zöllnerin angeblafft, weil ich es wage, mein Kleingeld in den Anzug zu legen, der nun geröngt wird. Schliesslich stehe ich abflugbereit da. Nur dass der Flug gen London statt Zürich führen soll, iritiert mich ein wenig. Glücklicherweise bin ich mit dieser Ratlosigkeit nicht ganz allein, immer mehr Menschen wedeln mit ihren Tickets vor der Zöllnerin rum, und mit vereinten Kräften versuchen wir ihr beizubringen, dass wir verlorene Passagiere sind, die eigentlich gerne nach Hause möchten, dass unser Zuhause jedoch nicht London sei.

Egal! "Sie sind hier, und hier bleiben Sie!" werden wir in den Senkel gestellt. Müssen wir nun so lange warten, bis irgendwann in siebenunddreissig Jahren durch Zufall ein Flug nach Zürich an diesem Terminal andockt? Wird Tom Hanks unsere Leidensgeschichte verfilmen? Wird die Schwangere, die wohl unweigerlich hier niederkommen wird, ihr Baby "Charles de Gaulle" taufen? DAS wäre dann wohl zuviel der Ehre, und Flugs werden die morgendlichen Telefonkontakte reaktiviert. Nur: Hier helfen keine Beschwörungen und keine Bitten, denn den guten Seelen der Airline sind die Hände ebenso gebunden wie den Flughafenverantwortlichen. Unser Schicksal liegt nämlich in den Händen des französischen Zolls. Und verglichen mit deren Exponenten nimmt sich ein stalinistischer Knastwärter wohl wie Christkindleins Kucheltierchen aus.

Knappe fünf Minuten vor dem offiziellen Abflugtermin schleicht sich eine Frau der Airline in unsere Schicksalsgemeinschaft, winkt triumphierend mit einem Schlüssel, sperrt die Tür ins Fingerdoch auf und wir marschieren los - bis ans Ende des Fingerdocks, wo wir etwa fünf Meter über dem Erdengrund die Aussicht geniessen.

Aber unser Engel hat vorgesorgt, denn schon nach wenigen Minuten keucht ein Flughafenmitarbeiter mit einer Rollleiter heran, schiebt sie in unsere Nähe und wir dürften die wacklige Treppe runterkraxeln. Zu Fuss gehts weiter bis zu einem Minibus, der von uns allen - wir sind immerhin sicher 40 Leute - jeweilen zehn bis zwölf auflädt, was zu Körperkontakten der unangenehmen Art mit speckigen, glatzköpfigen Managern führt, die zu allem Elend sogar noch gelbe Kravatten umgebunden haben. Ekelerregend!

Einer dieser Typen sitzt dann, als wir endlich alle im Flugzeug untergebracht sind, vor mir, und ich bestaune mit Interesse, wie sich die Muskeln an seinem Kopf beim Essen bewegen.

Eine Stewardess offeriert ihm ob der überstandenen Kalamitäten ein Gläschen Champagner. Er nimmt dankbar an.

Als die Reihe an mir ist, frage ich: "Ist es französischer?"

"Natürlich."

"Dann hätte ich heute lieber ein Glas Wasser...."

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