Tuesday, April 05, 2005

Ach wär ich doch in Düsseldorf geblieben?

Am liebsten hätte ich ihm den Arm abgeschnitten. Radikal. Ich sass an meinem Fensterplatz in der Business-Klasse der Lufthansa, und er machte sich neben mir breit, als sei ich nicht vorhanden. Wie konnte ich auch nur auf die Idee kommen, von Düsseldorf her abzufliegen. Und dazu noch um 18 Uhr, zu einer Zeit, da sich alle, die sich für Geschäftsleute halten, mit wichtigem Blick und dicken Handys auf dem Flughafen rumtummeln, imaginären Sekretärinnen Aufträge entgegenbellen und sich so aufführen, als hätten sie mit ihren lumpigen Investitionen die Welt gerettet?
Ich weiss genau, weshalb ich diesen Flug ausgewählt hatte: Weil ich sonst von der Lufthansa über München geschleust worden wäre. Mit zweistündigem Aufenthalt. Wir Passagiere sind nur noch Manövriermasse zum Auffüllen der Shoppingmeile im Flughafen. Nicht mit mir, liebe Lufthansa! Ich mach einen grossen Bogen um München! Und lande dafür - buchstäblich - neben diesem Idioten. Einem glatzköpfigen Geschäftsmann, eigentlich ein schmaler Wurf, und doch plustert er sich zu einer Breite auf, die einen vermuten lässt, er wolle sich in seiner Imagination mit Schwarzenegger messen.
Das lausige Essen wird serviert. 32 Minuten Zeit, um kalten Schlangenfrass runterzuwürgen. Wie sehne ich mich nach der guten, alten Swissair zurück!
Versehentlich flutscht eine der kalten Nudeln von meiner Gabel. Wenigstens landet sie auf seiner nadelgestreiften Hose und bildet einen hübschen Kontrast zu dem langweiligen Grau-Schwarz. Erschrocken zieht er sein Bein weg. Nicht lange, aber lange genug, dass ich einen Eindruck davon erhalten kann, wieviel Platz ich haben könnte, wenn er sich in Luft auflöste.
Zum Zeitvertreib studiere ich Details des Flugzeug-Interieurs. Über mir hat es eine Lampenreihe. Offensichtlich pustet dort die Klimaanlage Luft raus, denn im Abstand von fünf Zentimetern haben sich dicke, hässliche Staubpolster gebildet. Ich untersuche sie genauer, reibe mit einer Serviette ein wenig davon ab - und stelle mir vor, dass wir im Flugzeug diesen Dreck einatmen. Da wird ein riesen Gedöns um den Feinstaub in den Städten gemacht, aber im Flugzeug atmen wir freiwilig den Grobstaub ein.... Würg!
Würde mir der Typ neben mir vielleicht mehr Platz zur Verfügung stellen, wenn ich statt meines Kapuzenpullis und der Jeans auch einen Anzug tragen würde und ihm so signalisieren würde: Ey, mit mir lassen sich Geschäfte machen. Nur: Mit solchen Leuten will ich gar keine Geschäfte machen. Ich will ihnen einen Arm abschneiden, damit ich endlich mehr Platz habe. Das würde reichen.
Er kramt in seinen Akten rum, die ihm von den Knien rutschen und sich unter den Vordersitzen verteilen. Ha! Geschieht ihm recht. Als er sie wieder auf seinen Knien hat, gucke ich interessiert in die Papiere und sehe einen Namen. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Hm... genau! Heureka! Ich weiss wahrscheinlich mehr über diesen Kerl, als ihm lieb ist. Denn genau diesen Namen las ich, als ich auf dem Düsseldorfer Flughafen meinen Laptop ausgepackt hatte und ein wenig im öffentlichen WLAN rumsniffte. War ganz spannend, was dort alles so rumschwirrte. Ich lernte, dass eine leitende Angestellte eines führenden Telekom-Unternehmens offensichtlich keinen Spam-Filter hat und sich tonnenweise Viagra-Werbung runterladen musste. Ich stellte mit Freuden fest, dass ein Anwalt seine Mails unverschlüsselt versendet und sich auch ohne Verschlüsselung bei seinem Mail-Client anmeldet.
Und was ich über diesen Typen aufgezeichnet habe, der neben mir sitzt und sich breit macht - ach, ich werde es sehen. Aber eines ist gewiss: Mit der Gewissheit, dass ich seine Datenströme aufgezeichnet habe, lässt sich der Rest des Fluges leichter bewältigen.