Tuesday, January 23, 2007

Soziologie im Tram

Ich pendle, also bin ich? Rücke ich mich damit in die Nähe des Frittibänz, der sich ab und zu auch mal Bänz Friedli nennt? Ich hoffe nicht. Zu gut kann ich mich noch daran erinnern, wie er als "politisches Naturtalent" für die - so glaube ich mich zu entsinnen - Freie Liste kandidierte. Für politische Novizen: Das ist so ein politisches Grüppchen, das dermassen nahe an der FDP stand, die damals rechts von der SVP politisierte, dass die Grenzen nach Rechts unbegrenzt offen standen.

Damals also, und hier erinnere ich mich gut, wurde der Frittibänz von den Berner Lokalmedien nach seinem Lieblingsgetränk befragt. Und ohne Umschweife liess er uns in die Abgründe seiner bürgerlichen Psyche blicken und nannte "Champagner" als seinen favorisierten Durstlöscher. Wie gesagt: Deshalb, aber nicht nur deshalb, wünsche ich mir, nicht in seine Nähe gerückt zu werden. Auch wenn ich pendle.

Und dieses Pendeln ist für mich immer wieder Anlass zum Staunen. Seit Jahren schon steige ich regelmässig ins 13er-Tram in Zürich. Da bin ich nicht alleine. Denn zwei Millionen KV-Stiftinnen und Stifte - ihr wisst schon: Das sind jene, die auch bei -39 Grad bauchfrei rumlaufen oder, so sie einen Schniedelwutz haben, die Hose in den Kniekehlen rumhängen lassen - diese zwei Millionen StiftInnen also wollen meist zur gleichen Zeit ins Tram einsteigen wie ich. Was mir Raum für soziologische Studien lässt.

Denn häufig läuft zuerst mal der 4er in der Station ein. Durch ein leichtes Drehen des Kopfes kann man dann erkennen, dass 132 Meter hinter dem 4er der 13er auf seine Chance wartet, ebenfalls in die Haltestelle einzulaufen.

Die KV-StiftInnen jedoch wollen alle in den 4er. Und alle gleichzeitig. Und obwohl das Tram acht Eingänge hat, versuchen diese Azubis von Gottes Gnaden, sich allesamt durch ein- und denselben Eingang in das blauweisse Rollmaterial zu zwängen.

Theoretisch wäre das ja möglich. Nur: Die ersten drei Stiftinnen, diejenigen mit den dicken Rucksäcken, welche sie den sitzenden Passagieren unbarmherzig ins Gesicht drücken, weigern sich, auch nur einen Meter in Richtung Gang zu watscheln. Was dazu führt, dass die anderen KV-ler nun grösste Mühe haben, sich ins Tram zu quetschen.

Dieses Schauspiel dauert immer ein Weilchen. Alle Tramtüren sind verschlossen und verriegelt, der Blinker gestellt, aber an der hintersten Türe hängen noch immer Köpfe und Arme und Beine und Ärsche raus, so dass die Türe weder schliessen noch das Tram abfahren kann.

Es eröffnen sich Möglichkeiten zur Körperstudie wie man sie in den Körperwelten-Ausstellungen nicht schöner haben kann. Mitunter kann es vorkommen, dass ein Rucksack zu Boden purzelt und das Tram abfährt und man beim Vorbeifahren des Trams ein entsetztes Gesicht sieht, das an die Scheibe gedrückt ist und bittere Tränchen übers Glas purzeln lässt.

Kaum sind die KV-Sardinen weg, läuft endlich der 13er ein. Man ist beinahe allein an der Haltestelle, kann getrost einsteigen, findet einen Sitzplatz und kann in aller Ruhe eine Frittibänzbefreite Zeitung lesen, sofern man nicht über die Psyche der KV-ler sinnieren will.

Saturday, January 06, 2007

Spanisch in 14 Tagen

Argentinien ruft - und ich eile. Respektive: Ich werde eilen. Beziehungsweise und Hand aufs Herz: Dass ich 19 Stunden hinfliegen muss und anschliessend wieder 19 Stunden zurück stinkt mir gewaltig, aber ich werde dafür drei Tage in Argentinien sein mit einer Wagenladung an Aufgaben, die zu erledigen sind.

Das Volk in Argentinien spricht Spanisch. Sagt mir Wikipedia. Ich spreche kein Spanisch. Sagt mir mein Wissen. Will ich also meine Aufgaben erledigen, muss ich mir zumindest auf Spanisch einen Kaffee bestellen können. Das ist die Grundüberlebenswortschatzausstattung jedes Reisenden auf dieser Welt.

In der Schule war ich - unumwunden gebe ich dies zu - in Sachen Fremdsprachen ein fauler Sack. Nur Englisch interessierte mich - schliesslich waren die Comics in dieser Sprache spannender als "Fix und Foxi" oder "Primo".

Heute jedoch lerne ich gerne. Auch Sprachen. Und ich gebe zu: Ich lerne schnell (auch wenn die Sprachen sich nach Gebrauch in meinem Gedächtnis verflüchtigen). Also hab ich mir ein Standardwerk gekauft (Spanisch in 30 Tagen), mir einen Stundenplan zurechtgewerkelt (7*2 Stunden abends und 2*1 Stunde in pro Woche in der Badewanne) und selbstverständlich die Lektionen gleich auch noch auf meinen MP3-Player gebeamt, auf dass das Spanische beim Pendeln mein Hirn infiltriere.

Nur: Das war zuviel des Guten für meinen geliebten MP3-Player.

Als Mann der kurzen Entschlüsse (jaja, ich weiss: Hier könnte man auch von Kurzschlüssen unken) guckte ich schnell ins Internet, sah mir ein Paar MP3-Player an, hastete in den nächsten Laden und leistete mir ein solches Teil. Eines von Sony. 2 Gigabyte. Sonderangebot.

Sony selbst bezeichnet das Gerät als "MP3-Walkman". Im Laden lag es bei den MP3-Playern. Nur: Dieses Designte Scheiss-Stück spielt keine MP3-Dateien ab. Klar, dass ich das erst bemerkte, als ich es ausgepackt und an meinen Laptop angeschlossen hatte.

Nur unter Windows lässt sich eine Sony-Software benutzen, mit der ich bestehende Sound-Dateien in irgend ein proprietäres Format umwandeln kann. Da ich aber ein vernünftiger Mensch bin und Linux benutze, kann ich mit diesem merkwürdigen Sony-Teil nichts anfangen.

Mittlerweilen hab ich mir für einen Viertel des Preises, den Sony mir für seinen "NW-E005" abknöpfte, einen neuen Player gekauft. Und musste mit Enttäuschung feststellen, dass auf meinem Spanisch-Kurs die Worte nicht zu finden sind, die ich bräuchte, um Sony's Politik adäquat zu beschreiben.

Saturday, September 30, 2006

Frankfurt - trocken.

Frankfurt ist meine Angst-Stadt Nummer 1. Jedesmal, wenn ich dorthin reise, geht etwas schief. Sei es, dass ich mit einer Infektion ankomme, sei es, dass das Flugzeug wegen schlechtem Wetter auf irgend einen zweihundert millionen Kilometer entfernten Flughafen umgeleitet wird oder der Zug in Offenburg wegen einem Personenunfall, wie sie es bei der Bahn so euphemistisch nennen, für drei Stunden im Provinzbahnhof stehen bleibt.
Nichtsdestotrotz: Ab und zu muss ich nach Frankfurt. Und gestern war es besonders lustig, denn ich war knapp in der Zeit, konnte kein Geld mehr wechseln und begab mich also mit harten Schweizer Fränkli in den Zug. Kein Problem, sollte man meinen. Denn im Speisewagen war alles nicht nur in Euro, sondern auch in Franken angeschrieben. Nur: Die nette Dame am Tresen erklärte mir, dass ich meinen Kaffee nicht mit Schweizer Franken zahlen könne. Die Preise gelten nur in der Schweiz.
Nun ist es so, dass dieser Zug lediglich von Basel her abfährt, also lediglich ein paar hundert Meter auf Schweizer Schienenhoheit zurücklegt. Was also bedeuten würde, dass ich unmittelbar nach der Abfahrt hätte einen Kaffee kaufen müssen. Was ich aber nicht tat.
Immerhin: Nach langen Verhandlungen erklärte sich die Frau bereit, mir einen Kaffee zu verkaufen. Bezahlen könne ich mit der Kreditkarte. Hey: ungefähr 2.20 Euro mit der Kreditkarte bezahlt. Nach Abzug der Spesen hat sich das für die Leute nicht gelohnt.
Sei's drum. Denn für mich kommt das auf jeden Fall günstiger - hätte die Tresentante nämlich meine Schweizer Franken zum angeschriebenen Kurs genommen, hätte sie 30 Rappen Kursdifferenz verdient.
Immerhin weiss ich jetzt, dass ich in Zukunft wohl mit einem Thermosfläschchen in den ICE steige.

Friday, September 01, 2006

Tut Dummheit weh?

Ich gebe es zu: Ich lese ab und zu den "Blick", ein ehemaliges Revolverblättchen, das von einigen Leuten mittlerweilen als die letzte Bastion der Linken tituliert wird.

Sei's drum.

Am 17. August allerdings sträubten sich mir die Nackenhaare. Zwei Mädchen parlierten dort darüber, was in Sachen "Swissfirst" so alles an Schlimmem geschehen sei.

Immerhin - so viel sei vorweggenommen: Die beiden heulten nicht mit den Wölfen. Aber beim Lesen ihrer Statements wurde mir klar, weshalb "dämlich" von "Dämchen" kommt. So meinte etwa die 17jährige Darina Meier aus Wetzikon, dass Insidergeschäfte an der Börse gar nicht so schlimm seien. Irgendwie müsse man ja reich werden.

Na hoppla. Gesetze stören also nur beim reich werden? Dann würde das ja bedeuten, dass man Leute umbringen und ihnen ihr Geld rauben kann. Gesetze dagegen stören schliesslich auch nur beim reich werden. Und Polizisten, dass wissen die beiden Mägdelein, wären da nur störend: "Aufsichtsbehörden", so lassen uns Darina und ihre Kollegin Anastasia Eliseeva an ihrer Weisheit teilhaben, "verursachen nur wieder Mehrkosten, ob das rentiert, ist fraglich." Aha. Gesetze müssen rentieren. Klar doch. Aber das Sahnehäubchen auf dem Artikelchen ist, dass die beiden Mitbewerberinnen um den Titel "Doofste Menschen auf Gottes weitem Rund" Wirtschaftsgymnasiastinnen sind.

Zwei Wetten:

a) Die werden es bestimmt weit bringen

b) Die werden am Ende ihrer Karrieren wohl im Frauenknast darüber lamentieren, dass es gar nicht rentiere, dass man sie verhaftet habe.

Und was das Alles mit dem Reisen zu tun hat? Naja, den Blick lese ich selbstverständlich nur heimlich. Und in der S-Bahn...

Monday, June 13, 2005

Uns gibt es gar nicht!

Okay, okay, ich hatte mir geschworen, nie mehr in meinem ganzen Leben die Kombination "Frankreich" und "Flugreisen" zuzulassen. Aber ein Kollege von mir müsste dringend von Paris nach Afrika reisen. Und ich soll den Flug berappen.
Ein Anruf ins Büro, und der Kollege setzt sich hilfsbereit ans Telefon, um bei der Air France rumzutelefonieren. Das startete am Freitag.

Telefonisch erhält er die Auskunft, dass das Ticket lediglich 6000 Franken koste. Lediglich? Merkwürdig: Dasselbe Ticket, in Albuquerque gelöst, würde nicht mal die Hälfte kosten. Da ist was Faul im Staate Camembert...

Am Wochenende lässt sich bei der Air France niemand erreichen, der auch nur den Anschein von Kompetenz erwecken würde, und so verschiebe ich die Buchung auf Montag.

Zunächst - man ist ja schliesslich nicht von gestern - versuche ich, mir per Internet eine Übersicht über die Preise für die Tickets zu verschaffen. Aber offensichtlich sind die Franzosen in den Zeiten des Minitel stecken geblieben. Mehr als die Startseite von Airfrance.com will sich partout nicht zeigen.

Also greife ich frohgemut zum Telefon und versuche, dieses Ticket per Telefon zu buchen. Das scheitert zunächst an sprachlichen Barrieren. Die nette Dame in Genf bedeutet mir, dass sie lediglich Französisch spreche und auch nur solches zu verstehen gedenke. Ich solle meine sprachlichen Fertigkeiten ausfeilen und in ein paar Monaten nochmal anrufen. Zack!

So leicht gebe ich mich nicht geschlagen! Sofort rufe ich dieselbe Nummer nochmal an und werde tatsächlich mit einer Frau verbunden, die Englisch spricht - oder zumindest etwas, das sie dafür hält. Ich erkläre ihr, dass ich:
a) einen Flug von Paris in eine Afrikanische Grossstadt buchen möchte
b) ich das Ticket zahle
c) jemand anders das Ticket in Paris abhole.
Ihre erste Reaktion: "Das geht nicht." Erst als ich ein "warum" und "weshalb" hauche, bequemt sie sich dazu, mir mitzuteilen, dass dies durchaus möglich sei, für sie aber in Arbeit ausarte und ich deshalb doch besser mit Western Union dem Reisenden das Geld überweisen solle, damit der sich das Ticket selber leisten könne.
Erstaunt ob diesem gerüttelt Mass an Geschäftstüchtigkeit schlucke ich ein halbes Dutzend Mal leer, kaue auf einer Möhre rum und erkläre dann energisch, dass ich mir nun mal einen Plan gefasst habe, ein sturer Bock sei und ergo meine Plan in die Realität umzusetzen gedenke. Weshalb sie mir, bitte sehr, doch mitteilen solle, wie teuer mich dieses Ticket zu stehen komme.

"Das kann ich nicht sagen", meint sie.
"Sie wissen nicht, wie teuer Ihre Tickets sind?"
"Doch."
"Aber?"
"Sie sind ein Spezialfall. Deshalb kann ich nicht sagen, ob hier noch extra Gebühren dazukommen."
"Die Gebühren schluck ich Ihnen aus der Hand, wenn Sie mir sagen, wie teuer das Teil ohne Gebühren kommt."

Jetzt hat sie ein Einsehen und flüstert mir ein vertrauliches "2780 Franken" in den Hörer.

Geht doch. Prima! Weshalb nicht gleich so? Ob ich wohl zahlen darf?

Ich darf. Aber anders, als ich es mir vorgestellt habe. Sie will nämlich, dass ich nach Genf reise und dort mit Kreditkarte bezahle. Per Internet sei dies nicht möglich.

Weshalb nicht? "Ach, Sie wissen schon: Afrika, Schwarze, Betrüger - da muss man sehen, wer bezahlt!"

Den Versuch, der netten Tante von der Air France irgend etwas in Sachen Rassismus oder sichere Finanztransaktionen beizubringen unternehme ich gar nicht erst sondern frage sie, ob es allenfalls auch die Möglichkeit gäbe, dieses Ticket in Zürich zu bezahlen.

"Wieso in Zürich?" fragt sie mich erstaunt.

"Weil ich in Zürich bin!"

"Aber Sie telefonieren doch nach Genf! Ich bin in Genf!"

"Ich habe der Air France angerufen", erkläre ich ihr und merke, wie meine Contenance langsam den Bach runter geht, "und ob sie in Timbuktu, auf der Venus oder im Weissen Haus sitzen, ist mir egal. Ich jedenfalls bin in Zürich und wüsste gerne, ob ich nicht hier in einem Büro ihrer durchaus geschätzten Firma bezahlen dürfte."

Ich darf. Nur will sie mir keine Telefonnummer geben für die Zürcher Niederlassung. Ich solle doch einfach zum Flughafen gehen und suchen - dort fände ich dann schon jemanden, der mir das Geld abknöpfe. Aber das solle doch bitte innerhalb der nächsten Stunde passieren.

Nun ist es aber so, dass der Weg bis zum Flughafen mit dem öffentlichen Verkehr rund eine Stunde dauern kann, die Suche nach dem richtigen Schalter nochmals ein paar Minuten, der Weg in die heimische Stube nochmals eineinhalb Stunden - kurzum, ich hatte keine Lust, in einer spontanen Aktion meinen Feierabend zu einer Odyssee zu gestalten.

Jammern, Flehen - und ich erhalte eine Frist bis zum nächsten Tag.

Die Nummer des Büros am Flughafen Zürich hat der Kollege schon - Sie erinnern sich: Das ist dort, wo man wahrscheinlich annimmt, ich wolle einen Elefanten von Paris nach Afrika transportieren und 6000 Franken für ein Ticket verlangt.

Der Herr am Schalter hört sich mein Anliegen an und meint dann, ich solle doch viel besser ein Ticket von Zürich nach Paris buchen und dort das Ticket nach Afrika kaufen und es meinem Kollegen vor Ort übergeben - das sei einfacher.

Geschäftstüchtiges Kerlchen! Aber ich lehne dankend ab. Also verspricht er mir, dass er am Schalter ein Zettelchen hinterlassen werde, damit morgen auf jeden Fall jemand dort sei. "Wuir arbeiten zwar hier", erklärt er dann frank und frei, "aber meistens sind wir gar nicht da. Wissen Sie, eigentlich gibt es uns gar nicht."

Schön und gut. Wenn ich es mir so recht überlege: Mit solchem Personal erstaunt es einen tatsächlich, dass es die Air France noch gibt.

Ganz Paris träumt von der Liebe....

Das Mittelalter lebt. In Frankreich. Auf dem Flughafen Charles-De-Gaulle.
Dass dieses Sammelsurium der Halbfertigkeit überhaupt existiert, grenzt an ein Wunder. Und es funktioniert wahrscheinlich nur wegen dem Grossmut der Passagiere.

Das fing in meinem Fall schon bei der Landung an. Zuerst verbringt man einige Zeit schmorend in der fliegenden Kiste, weil irgend ein Bodenpersonal-Trottel mit der Gangway am falschen Ort wartet. Toll. Als dann doch endlich der Bus bestiegen werden kann, ist der erste verabredete Termin bereits verschütt gegangen.

Sei's drum! Immerhin liefert mir der Flughafen die willkommene Ausrede für mein Fernbleiben.

Der Bus bringt uns durchschwitzten Passagiere kurvenreich zu einem Abfertigungsgebäude. Wir steigen aus, der Bus entschwindet im gordischen Knoten der Flughafen-Infrastruktur - und wir stehen doof in der Sonne. Denn jemand hat vergessen, für uns die Türe zu öffnen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als dem Abfertigungsgebäude entlang zu wandern, bis uns endlich ein geöffnetes Loch den Gang ins Gebäude ermöglicht. Pech ist nur, dass wir in einem Abflugterminal NACH der Zollkontrolle landen, wo uns eine ebenso hysterische wie inkompetente Zöllnerin erklärt, dass wir nun abgefertigt seien und gefälligst auf den Flug nach Frankfurt zu warten hätten, aber auf keinen Fall den von uns bevölkerten Raum verlassen dürften.

Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde und bedurfte zahlreicher internationaler Telefonate mit den Handies, bis endlich jemand im Tempo eines zerlaufenden Camembert herbeischlurft uns uns in die Freiheit entlässt. Immerhin: Das Ganze Trauerspiel dauerte lediglich 90 Minuten.

Beim Rückflug am Abend ist die Darbietung von ähnlicher Qualität. Vorgewarnt von den Ereignissen des Morgens stehe ich rechtzeitig auf der Matte beim Check-In, warte kaltblütig bis wenige Minuten vor dem letzten Termin und frage am Schalter nach, zu welchem Gate ich solle. Die Antwort ist klar - an meinen limitierten Französischkenntnissen kann das nachfolgende Desaster also nicht liegen. Eine unfreundliche Tante des Bodenpersonals kritzelt mir sogar in lesbaren Zeichen die Gatenummer aufs elektronische Ticket. Erfüllt von schier grenzenloser Dankbarkeit mache ich mich auf die Socken, durchlaufe die Zoll-Prozedur, werde von der Zöllnerin angeblafft, weil ich es wage, mein Kleingeld in den Anzug zu legen, der nun geröngt wird. Schliesslich stehe ich abflugbereit da. Nur dass der Flug gen London statt Zürich führen soll, iritiert mich ein wenig. Glücklicherweise bin ich mit dieser Ratlosigkeit nicht ganz allein, immer mehr Menschen wedeln mit ihren Tickets vor der Zöllnerin rum, und mit vereinten Kräften versuchen wir ihr beizubringen, dass wir verlorene Passagiere sind, die eigentlich gerne nach Hause möchten, dass unser Zuhause jedoch nicht London sei.

Egal! "Sie sind hier, und hier bleiben Sie!" werden wir in den Senkel gestellt. Müssen wir nun so lange warten, bis irgendwann in siebenunddreissig Jahren durch Zufall ein Flug nach Zürich an diesem Terminal andockt? Wird Tom Hanks unsere Leidensgeschichte verfilmen? Wird die Schwangere, die wohl unweigerlich hier niederkommen wird, ihr Baby "Charles de Gaulle" taufen? DAS wäre dann wohl zuviel der Ehre, und Flugs werden die morgendlichen Telefonkontakte reaktiviert. Nur: Hier helfen keine Beschwörungen und keine Bitten, denn den guten Seelen der Airline sind die Hände ebenso gebunden wie den Flughafenverantwortlichen. Unser Schicksal liegt nämlich in den Händen des französischen Zolls. Und verglichen mit deren Exponenten nimmt sich ein stalinistischer Knastwärter wohl wie Christkindleins Kucheltierchen aus.

Knappe fünf Minuten vor dem offiziellen Abflugtermin schleicht sich eine Frau der Airline in unsere Schicksalsgemeinschaft, winkt triumphierend mit einem Schlüssel, sperrt die Tür ins Fingerdoch auf und wir marschieren los - bis ans Ende des Fingerdocks, wo wir etwa fünf Meter über dem Erdengrund die Aussicht geniessen.

Aber unser Engel hat vorgesorgt, denn schon nach wenigen Minuten keucht ein Flughafenmitarbeiter mit einer Rollleiter heran, schiebt sie in unsere Nähe und wir dürften die wacklige Treppe runterkraxeln. Zu Fuss gehts weiter bis zu einem Minibus, der von uns allen - wir sind immerhin sicher 40 Leute - jeweilen zehn bis zwölf auflädt, was zu Körperkontakten der unangenehmen Art mit speckigen, glatzköpfigen Managern führt, die zu allem Elend sogar noch gelbe Kravatten umgebunden haben. Ekelerregend!

Einer dieser Typen sitzt dann, als wir endlich alle im Flugzeug untergebracht sind, vor mir, und ich bestaune mit Interesse, wie sich die Muskeln an seinem Kopf beim Essen bewegen.

Eine Stewardess offeriert ihm ob der überstandenen Kalamitäten ein Gläschen Champagner. Er nimmt dankbar an.

Als die Reihe an mir ist, frage ich: "Ist es französischer?"

"Natürlich."

"Dann hätte ich heute lieber ein Glas Wasser...."

Tuesday, April 05, 2005

Ach wär ich doch in Düsseldorf geblieben?

Am liebsten hätte ich ihm den Arm abgeschnitten. Radikal. Ich sass an meinem Fensterplatz in der Business-Klasse der Lufthansa, und er machte sich neben mir breit, als sei ich nicht vorhanden. Wie konnte ich auch nur auf die Idee kommen, von Düsseldorf her abzufliegen. Und dazu noch um 18 Uhr, zu einer Zeit, da sich alle, die sich für Geschäftsleute halten, mit wichtigem Blick und dicken Handys auf dem Flughafen rumtummeln, imaginären Sekretärinnen Aufträge entgegenbellen und sich so aufführen, als hätten sie mit ihren lumpigen Investitionen die Welt gerettet?
Ich weiss genau, weshalb ich diesen Flug ausgewählt hatte: Weil ich sonst von der Lufthansa über München geschleust worden wäre. Mit zweistündigem Aufenthalt. Wir Passagiere sind nur noch Manövriermasse zum Auffüllen der Shoppingmeile im Flughafen. Nicht mit mir, liebe Lufthansa! Ich mach einen grossen Bogen um München! Und lande dafür - buchstäblich - neben diesem Idioten. Einem glatzköpfigen Geschäftsmann, eigentlich ein schmaler Wurf, und doch plustert er sich zu einer Breite auf, die einen vermuten lässt, er wolle sich in seiner Imagination mit Schwarzenegger messen.
Das lausige Essen wird serviert. 32 Minuten Zeit, um kalten Schlangenfrass runterzuwürgen. Wie sehne ich mich nach der guten, alten Swissair zurück!
Versehentlich flutscht eine der kalten Nudeln von meiner Gabel. Wenigstens landet sie auf seiner nadelgestreiften Hose und bildet einen hübschen Kontrast zu dem langweiligen Grau-Schwarz. Erschrocken zieht er sein Bein weg. Nicht lange, aber lange genug, dass ich einen Eindruck davon erhalten kann, wieviel Platz ich haben könnte, wenn er sich in Luft auflöste.
Zum Zeitvertreib studiere ich Details des Flugzeug-Interieurs. Über mir hat es eine Lampenreihe. Offensichtlich pustet dort die Klimaanlage Luft raus, denn im Abstand von fünf Zentimetern haben sich dicke, hässliche Staubpolster gebildet. Ich untersuche sie genauer, reibe mit einer Serviette ein wenig davon ab - und stelle mir vor, dass wir im Flugzeug diesen Dreck einatmen. Da wird ein riesen Gedöns um den Feinstaub in den Städten gemacht, aber im Flugzeug atmen wir freiwilig den Grobstaub ein.... Würg!
Würde mir der Typ neben mir vielleicht mehr Platz zur Verfügung stellen, wenn ich statt meines Kapuzenpullis und der Jeans auch einen Anzug tragen würde und ihm so signalisieren würde: Ey, mit mir lassen sich Geschäfte machen. Nur: Mit solchen Leuten will ich gar keine Geschäfte machen. Ich will ihnen einen Arm abschneiden, damit ich endlich mehr Platz habe. Das würde reichen.
Er kramt in seinen Akten rum, die ihm von den Knien rutschen und sich unter den Vordersitzen verteilen. Ha! Geschieht ihm recht. Als er sie wieder auf seinen Knien hat, gucke ich interessiert in die Papiere und sehe einen Namen. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Hm... genau! Heureka! Ich weiss wahrscheinlich mehr über diesen Kerl, als ihm lieb ist. Denn genau diesen Namen las ich, als ich auf dem Düsseldorfer Flughafen meinen Laptop ausgepackt hatte und ein wenig im öffentlichen WLAN rumsniffte. War ganz spannend, was dort alles so rumschwirrte. Ich lernte, dass eine leitende Angestellte eines führenden Telekom-Unternehmens offensichtlich keinen Spam-Filter hat und sich tonnenweise Viagra-Werbung runterladen musste. Ich stellte mit Freuden fest, dass ein Anwalt seine Mails unverschlüsselt versendet und sich auch ohne Verschlüsselung bei seinem Mail-Client anmeldet.
Und was ich über diesen Typen aufgezeichnet habe, der neben mir sitzt und sich breit macht - ach, ich werde es sehen. Aber eines ist gewiss: Mit der Gewissheit, dass ich seine Datenströme aufgezeichnet habe, lässt sich der Rest des Fluges leichter bewältigen.